Torsten Hornung, ein Händler mit Tradition und Online-Händler der ersten Stunde, hat einen bemerkenswerten Werdegang hinter sich. Er ist die ersten Schritte mit eBay.com gegangen und war Berater des deutschen Auktionshauses Alando, das später von eBay aufgekauft wurde. Er pflegte eine enge Beziehung zum Gründer von Wortfilter seit den ersten Tagen.
Torsten Hornung, ein Name, der mir seit vielen Jahren – noch durch Axel Gronen – bekannt ist. Zufällig haben wir uns bei der eBay Lokal in Frankfurt getroffen. Seine unaufgeregte, aber visionäre Sicht der Dinge faszinierte nicht nur mich. Ich fühle mich geehrt, dass er mir für ein Interview zur Verfügung stand.
Er zeigt, dass man über Jahrzehnte erfolgreich sein kann und wie wichtig es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Chancen zu nutzen. Hier das ganze Interview für euch:
Heidi: Hallo Torsten, erstmal ganz lieben Dank, dass Du für ein Interview zur Verfügung stehst. Ich freue mich ganz besonders, weil ich Deinen Namen schon von Axel seinerzeit kannte. Deine Beziehung zu Axels Wortfilter besteht so ca. 20 Jahre. Kannst Du kurz erzählen, wie Deine Verbindung zu Axel und Wortfilter seinerzeit zustande kam?
Torsten: Axel hatte ich persönlich anlässlich der 1. eBay-Live im Tempodrom in Berlin, die unter dem auch für mich sehr zutreffendem Motto „Wir seh’n uns“, kennen gelernt. Wir konnten uns sehr gut austauschen und er hat mich auf seinen sehr informativen „Wortfilter“ hingewiesen.
Heidi: Du bist einer der Händler bei eBay, die von der ersten Stunde dabei waren. Mit was handelst Du?
Torsten: Mit meinem Unternehmen, das ich mit meiner Familie in nunmehr 4. Generation leite, beschäftige ich mich mit dem Handel von Briefmarken, Münzen und Schmuck, allesamt aus zweiter Hand und alles sehr trendy nachhaltig sowie extrem ressourcenschonend. Nachdem ich zwischen 1984 und 2008 herkömmliche internationale Versteigerungen mit Auktionskatalog und weit über 100 persönlich anwesenden Bietern in Wiesbaden durchgeführt hatte, entdeckte ich parallel bereits im Jahr 1995 die Chancen des Internets und verkaufte ab 1997 auf eBay.com sehr erfolgreich meine Produkte in mittlerweile 76 verschiedene Länder.
Heidi: Du hast also schon bei ebay.com gehandelt, als es noch nicht einmal ein ebay.de gab. Welche Abenteuer und Herausforderungen sind Dir aus der Anfangszeit noch besonders in Erinnerung?
Torsten: Nun ja, wie gesagt habe ich in Ermangelung einer Internet-Plattform in Deutschland auf eBay.com begonnen. Ich bin tatsächlich 1996 in die USA gereist und habe vor Ort in Kaliforniern eBay auf einer Messe besucht und dafür geworben, dass ich eBay-Deutschland aufbaue. Damals hieß es, dass man mit dem stürmischen Aufbau von eBay in den USA zu viel zu tun hat, um sich parallel mit mir und dem deutschen Markt zu kümmern.
Im Jahr 1997 habe ich meinen Auktionsteil einem Kollegen verkauft, um spontan nach Berlin zu übersiedeln. Das war ein sprudelnder und energiegeladener Moloch, der mich extrem gefesselt hatte. Im Januar 1999 hörte ich dann von einer Zeitungsredakteurin, dass 3 Brüder mit 3 weiteren Freunden den Aufbau eines Online-Auktionshauses planten. Sie gab mir deren E-Plus-Mobilnummer und ich hatte nach wenigen Minuten Oliver Samwer am Telefon. 2 Stunden später saßen wir bei einem Italiener in Berlin bei einer Wasserflasche und haben schnell festgestellt, dass ich u.a. aufgrund meiner Erfahrungen als Auktionator, als Händler für internetfähige Sammlerartikel wie Briefmarken und Münzen, sowie als sehr gut vernetztes Verbandsmitglied (Philatelie und Numismatik), der passende Partner war. Das Unternehmen hieß alando und ich habe mit den Jungs dort einen Beratervertrag für 1,5 Jahre unterschrieben. Das war eine geile und zugleich sehr aufregende Zeit. Für mich stellen die Samwer-Brüder die bedeutendsten Unternehmer meiner bisherigen Lebenszeit dar! Mit Abstand!
Sorry, ich schweife ab: die Herausforderungen der Anfangszeit meiner Handelstätigkeit auf eBay stellte beispielsweise der Arbeitsprozess zum Einstellen der Artikel dar. Das geschah zu Beginn ohne Tools, also einzeln über die eBay-Erfassungsmaske. Erst später gab es den „MisterLister“, der es gestattete deutlich effizienter im Bulk Artikel zu bearbeiten und einzustellen. Die Abwicklung nach einem erfolgreichen Verkauf gehörte ebenfalls damals zur Handarbeit. Es gab keine Abwicklungssoftware, die dies managen konnte. Die EOA-Mail (end of auction), in der alle Daten samt Käuferprofil enthalten war, wurden einzeln ausgedruckt, ggf. mehrere Artikel pro Käufer händisch zugeordnet und mit Textbausteinen manuell und einzeln per E-Mailkorrespondenz abgearbeitet. Erst im Jahr 2000 hat ein Freund von mir eine Software zur Auktionsabwicklung geschrieben.
Herausfordernd waren auch überdurchschnittlich viele „Spaßbieter“ in dieser Zeit. Ebenso die Zahlungsabwicklung, insbesondere für den internationalen Handel. Die meisten Bieter/Käufer kamen bei mir aus den USA. Ich erhielt von der Mehrzahl im Brief zugesandte Schecks, die ich bei meiner Bank eingereicht hatte. Die Scheckeinreichungskosten hierfür machten bei mir einen 4-stelligen DM-Betrag im Monat aus! Hier habe ich gelernt, dass auch diese Scheckgebühren bei meiner Bank stark nach unten verhandlungsfähig waren.
Heidi: Hat sich Dein Geschäft im Laufe der Zeit sehr geändert?
Torsten: Ja: ich habe ganz schnell festgestellt, dass das Internet den Handel rasant und allumfassend verändern wird. Auf dieses Pferd habe ich vollständig gesetzt. Es ist ein schnelles und gutes Pferd! Bei mir hat es, bedingt durch das Implementieren von Tools und Software, dazu beigetragen, dass ich ohne Mitarbeiter fast alleine alles abwickeln kann; und dabei meinen Umsatz sogar verdreifachen konnte. Onlinehandel und mein stationäres Ladengeschäft in Wiesbaden sind mein geschäftliches Glück, geben mir Struktur und ein sehr zufriedenstellendes Einkommen.
Heidi: Glaubst Du, dass es damals oder heute schwieriger war, sich als Händler selbstständig zu machen?
Torsten: Ich weiß, dass die persönliche Ausbildung und Persönlichkeit einen erfolgreichen Händler ausmachen. Ich weiß jedoch ebenfalls, dass die technischen Voraussetzungen und Informations-, wie auch Weiterbildungsmöglichkeiten (u.a. ganz stark „youtube“) heute eine Selbständigkeit deutlich erleichtern. Mit anderen Worten: der Schiffsbau hat sich drastisch vereinfacht, die Anforderungen als Kapitän bleiben mindestens genauso hoch, wie eh und je.
Heidi: Wo siehst Du aktuell die größten Herausforderungen für Händler?
Torsten: „Wer nicht mit der Zeit geht, – der geht mit der Zeit!“. Ich halte es für dringend erforderlich regelmäßig die Abläufe im eigenen Unternehmen zu prüfen und zu hinterfragen. Lieber regelmäßig kleine Korrekturen vornehmen, als verzögert eine große Ad Hoc-Veränderung durchzuprügeln. Bei mir waren es wenige Diversifizierungsschritte in meinen nunmehr 40 Jahren Selbständigkeit, die entscheidend für unseren Erfolg waren und noch sind. Darüber hinaus ist das Aufrechterhalten der eigenen Neugier, verbunden mit der Bereitschaft über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, um ggf. auch etwas Neues erst im Kleinen auszuprobieren, ein optimaler Weg, um den Widrigkeiten im Handel zu trotzen.
Heidi: Kommen wir zu dem derzeit alles dominierenden Thema KI. Viele nutzen diese schon im gewissen Rahmen für sich, z.B. für Artikelbeschreibungen. Aber was glaubst Du, was da noch auf die Händler zukommen wird? Worauf sollten diese sich einstellen?
Torsten: Zu allererst entspannt sein. Beobachten und sich umhören. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Für mich ist jedoch schon jetzt Fakt, dass KI, so wie die Erfindung des Internets, das nächste große Ding ist! Ein Account mindestens bei OpenAI sollte schon jetzt jeder ambitionierte Händler haben. Und auch regelmäßiges Arbeiten damit. Zur Orientierung gibt es jeden Tag neue Videos auf youtube. Bei LinkedIn finden sich hervorragende Seiten, die permanente Neuheiten zu KI in Wort, Bild und Video präsentieren. Die Händler sollten sich bei der Orientierung in der KI-Welt fragen: „was könnte für mich, für meinen Geschäftsablauf und für meine Produkte hilfreich sein?“.
Heidi: Was ist dein Plan für die Zukunft?
Torsten: Das Bestehende weiter festigen!
Heidi: Lieber Torsten, herzlichen Dank für das tolle Interview. Das inspiriert mit Sicherheit viele Händler. Viel Erfolg weiterhin!
PS: Wen es interessiert: Hier der Artikel von Axel von der im Artikel genannten 1. eBay Live! im Jahr 2003